Goudou Goudou nennen es die Haitianer heute. Goudougoudougoudou – so hört es sich, kurz, schnell und ohne Pause hintereinander gesagt an – das Geräusch des großen Bebens in Haiti vom Dienstag, den 12. Januar 2010. Um kurz vor fünf Uhr am Nachmittag schiebt sich der Boden in der Stärke 7 eine Minute lang hoch und runter. Besonders betroffen ist die Hauptstadt Port-au-Prince und ihre Vororte mit etwa 2,2 Millionen Einwohnern. Bei weiteren 20 Nachbeben in der Nacht vom 12. auf den 13. Januar und unzähligen bis zum 28. Januar sterben nach Schätzungen der Vereinten Nationen 250.000 bis 300.000 Menschen. Etwa 300.000 werden teilweise schwer verletzt, 2 Millionen Menschen verlieren Unterkunft, Hab und Gut. Bis heute sind viele von ihnen obdachlos und leben in Hütten und Zelten in etwa 1.200 Camps.
Goudou Goudou zerstört die Infrastruktur der Stadt und ihrer Umgebung. Eine medizinische Versorgung ist nicht mehr möglich. Haiti, eines der ärmsten Länder der Welt, kann sich jetzt selbst nicht mehr helfen, schnelle und nachhaltige Hilfe von außen ist notwendig. Etwa 600 internationale Nichtregierungs-Organisationen (NGO) schicken kurzfristig Helferinnen und Helfer in das Krisengebiet. Zu ihnen gehört Margot Dietz-Wittstock, Mutter von vier Kindern, Krankenschwester, Rettungsassistentin und Pflegerische Leitung der Zentralen Notaufnahme (ZNA) der ev. luth. Diakonissenanstalt (DIAKO) zu Flensburg. Speziell vom Deutschen Roten Kreuz für den Einsatz in Krisengebieten ausgebildet, fliegt sie als ein Teil des Erstteams am frühen Morgen des 16. Januar über Paris in die Dominikanische Republik. Von dort geht es auf dem Landweg weiter nach Haiti und Port-au-Prince, wo sie vier Wochen in einem internationalen Team arbeitet und die Basis-Gesundheitsstation vom Roten Kreuz in der Rue Delmas erst mit aufbaut und später leitet.
Von ihrer Arbeit und dem Leben im Krisengebiet, den Haitianern, die überlebten, und wie sich ganz langsam die Situation in Port-au-Prince etwas stabilisiert, erzählt sie im vorliegenden Band. Dabei vergleicht sie ihre Erlebnisse in Haiti mit ihren denen aus vorangegangenen Einsätzen nach dem Tsunami 2005 in Indonesien und dem Erdbeben 2006 in Pakistan. ---> Aus dem Text